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"The Story of an African Farm", O. E. A. Schreiner

Veröffentlicht am 17.08.2021

Olive Emilie Albertina Schreiner (* 24. März 1855 in Wittebergen bei Herschel, Gebiet der Basotho, heute Südafrika; † 11. Dezember 1920 in Wynberg, Südafrika)

Olive wuchs in Südafrika als neuntes von zwölf Kindern einer Missionarsfamilie in Armut und geistiger Enge auf. Der Vater, ein Deutscher, war liebevoll, aber lebensuntüchtig; die Mutter, eine Engländerin, wird von Olive als kalt und verständnislos geschildert. Ihre Eltern gehörten der Wesleyanischen Kirche an, in der Pietismus und Puritanismus eine wesentliche Rolle spielen.

Olives 15 Jahre älterer Bruder Theo war bereits Lehrer in Cradock und nahm später drei jüngere Geschwister in seinem Haus auf, darunter auch Olive. Zum ersten Mal in ihrem Leben bekam sie regulären Unterricht. Bis dahin war sie von der Mutter und den älteren Schwestern unterrichtet worden und hatte alles gelesen, was ihr in die Finger kam, besonders intensiv die Bibel, die sie, wie die autobiografischen Teile in ihrem Buch beweisen, in tiefe Konflikte bringen. Das manifestiert sich im Buch in der Person Waldo.

Als Missionarstochter distanzierte sie sich früh vom Christentum, auf dem Höhepunkt viktorianischer Prüderie schrieb sie einen Roman über eine sexuelle Rebellin.

1873 bis 1881 arbeitete Schreiner als Gouvernante; als sie endlich das Geld für die Reise nach England beisammen hatte, hatte sie auch zwei Romane fertig. “The Story of an African Farm”, in viele Sprachen übersetzt, wird im Gegensatz zu “Woman and Labour” noch heute gelesen. Eigentlich wollte sie Krankenschwester und Ärztin zu werden, konnte die Ausbildung aber wegen ihrer Asthmaerkrankung nicht beenden.

 

Schreiner blieb von 1881 bis 1889 in England und tauchte tief ein in die Debatten über die “New Woman” und den Sozialismus. Enge Freundschaft verband sie mit den SozialistInnen Edward Carpenter und Eleanor Marx (Lieblingstochter von Karl) und dem angehenden Sexualforscher Havelock Ellis.

Ihr erstes, halb autobiografisches Werk The Story of an African Farm erschien 1883 unter dem männlichen Pseudonym Ralph Iron. - Erst zur zweiten Auflage 1891 erschien das Buch unter ihrem eigentlichen Namen.

Im Ersten Weltkrieg ist sie in England, wo sie wegen ihres deutsch klingenden Namens große Schwierigkeiten bekam, in London eine erschwingliche Bleibe zu finden. Sie hätte 1894 den Namen ihres Ehemanns, Cronwright, übernehmen können, aber das hatte die überzeugte Feministin abgelehnt – er nahm stattdessen ihren Namen als Zweitnamen.

1918 geht sie schwerkrank nach Südafrika zurück und stirbt dort.

Von den hinterlassenen Werken ist nur die Geschichte einer afrikanischen Farm sehr schnell in deutscher Sprache veröffentlicht worden.

 

"The Story of an African Farm"
Olive Emilie Albertina Schreiner

 

Der Roman beginnt mit einer nächtlichen Naturbeschreibung: unter dem „vollen afrikanischen Mond“ schlafen drei Kinder. Die sanftmütige Em, Stieftochter einer ebenso selbstgerechten wie beschränkten Frau, die die Farm bewirtschaftet, ihre „elfenhafte“ Cousine, die aufmüpfige Lyndall und der Sohn des Verwalters, Waldo.

Sie leben im Jahr 1862 auf einer Farm in Südafrika, zusammen mit der beleibten und lebensfreudigen Burenfrau Tant‘ Sannie. Für die drei Heranwachsenden ist die Welt voller Geheimnisse. Es herrscht eine gewisse Harmonie, jeder hat seinen Platz in dieser vielfältigen Gemeinschaft.

Em nimmt das Leben gelassen, so wie es ist.

Lyndall ist von ganz anderer Mentalität: „Aber ich habe vor, zur Schule zu gehen.“
„Warum willst du denn unbedingt zur Schule gehen, Lyndall,“ fragt ihr Freund Waldo sie.
„Weil in dieser Welt nur seinen Weg macht,“ erklärte sie mit Nachdruck, „wer sehr klug ist und alles weiß – wer gescheit ist.“

Die Zeit vergeht, und Waldo fühlt sich auf der Farm nicht mehr wohl; nur die Bücher und die enge Freundschaft zu Lyndall und Em sind sein einziges Glück. Die Wege der Kinder trennen sich: Die intelligente Lyndall geht ins Internat, Waldo verlässt später die Farm und sucht das Glück, Gott und die Weite der Welt. Em bleibt zurück auf der Farm, wird von Gregory Rose, dem neuen Pächter, umworben. - Die Hochzeit ist festgelegt.

Da kehrt Lyndall, total verändert, aus dem Internat zurück.

Im Gespräch mit Em: „Ich habe herausgefunden, dass von allen gottverdammten Orten unter der Sonne, an denen nicht mal die hungrigste Seele ein Körnchen Wissen aufpicken kann, ein Mädchenpensionat der schlimmste ist.

Alles dreht sich nur um die Frage - Wie stark lässt sich eine menschliche Seele zusammenstauchen.“
Mit Waldo, dem Vertrauten aus Kinderzeiten, spricht sie offen über ihre Probleme: „Könnte ich doch nur in der Zukunft noch einmal auf die Welt kommen! Dann ist man als Frau vielleicht nicht mehr von Geburt an gebrandmarkt. Das Unrecht besteht nicht darin, was man uns antut, sondern darin, was man aus uns macht.“
Ein Satz, der an Simone de Beauvoir erinnert, obwohl wir uns hier in der Mitte des 19. Jahrhunderts befinden.

 

Und weiter:

„Was nützt mir Wissen? Je weniger eine Frau im Kopf hat, desto leichter gelingt ihr der Aufstieg. Ein paar Tränchen, ein paar Schmeicheleien, ein Hauch Selbstendwürdigung, eine dezente Betonung unserer weiblichen Reize und irgendeiner sagt bestimmt -  Werd meine Frau! Wir gebären die Welt, und wir drücken ihr unseren Stempel auf. Die Seelen von kleinen Kindern sind ungeheuer zart und empfindlich. Der Schatten, der als Erstes auf sie fällt, begleitet sie ihr gesamtes Leben, und der stammt nun mal von ihrer Mutter oder zumindest von einer Frau.

Die ersten sechs Lebensjahre sind ausschlaggebend. Da wird uns die wichtigste, ehrenvollste Aufgabe zuteil, die man sich vorstellen kann, und wir kommen ihr nicht vernünftig nach.“

Hier zeigen sich ihre Sehnsucht nach Bildung, Selbstbestimmung und Emanzipation.

Den Antrag Gregorys, der Em für sie verlassen will, kann sie nicht annehmen. Sie verlässt heimlich die Farm.

Es wird indirekt klar, sie hat eine Liaison mit einem Mann, den sie aber nicht heiraten kann oder möchte.
Sie verschwindet aus Ems Leben, genauso wie Waldo. Gregory und Waldo  begeben sich auf die Suche nach Lyndall, nach der Wahrheit, nach Gott.

Gregory wird Lyndall schwerkrank und hochschwanger finden. Sie hatte gesagt, sie könne sich keinen Mann vorstellen, mit dem sie leben könne, sie wolle selbstbestimmt sein, bis zuletzt.
Eine finanzielle Unterstützung nimmt sie, notgedrungen vom Vater des Kindes, an. Ihr Kind bringt sie mit Hilfe von Gregory, der nun einmal anwesend ist, zur Welt. Es überlebt nur wenige Stunden, und auch Lyndall übersteht die schwere Geburt nicht.
Nach Jahren des Wanderns kehrt Waldo zur Farm zurück, in der Hoffnung, dort Lyndall, seine Liebe, anzutreffen oder etwas über sie zu erfahren. Em sagt nur, dass Gregory sie gefunden hat, beendet aber den Rest der Geschichte nicht.
Und so beginnt Waldo, seine Briefe an eine Tote zu schreiben. Er kommt zur Ruhe – und er stirbt in Frieden in der Sonne.

 

© Autorin: Ariane Niehoff-Hack, Frauen in der Einen Welt

© Fotos:
- wikipedia
- Schreiner House in Cradock/Südafrika, Gedenkstätte für Olive Schreiner und ihre Geschwister:
Von Leo za1 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
(Museum)

 

 
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