© Irene Kress-Schmidt, Installation „Homeoffice Crybaby“, Deutschland 2020
Neubeginn im Homeoffice – Arbeiten mit Baby
Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, hat sich seit der Corona-Pandemie stark ausgeweitet – für viele stellt sie inzwischen eine etablierte Form des Arbeitens dar. Für Eltern, insbesondere Mütter mit kleinen Babys, bedeutet der Wechsel ins Homeoffice jedoch nicht nur eine organisatorische Umstellung, sondern oft einen umfassenden Neubeginn: die Rückkehr in den Beruf, verbunden mit der neuen Rolle als Elternteil – meist ohne klare Trennung zwischen Berufs- und Familienleben.
Auf den ersten Blick wirkt das Homeoffice wie eine ideale Lösung: keine Arbeitswege, flexible Zeiteinteilung, direkte Nähe zum Kind. Gerade beim ersten Kind hoffen viele auf eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In der Realität zeigt sich jedoch, dass die Verbindung von Erwerbsarbeit und Säuglingsbetreuung häufig mit großen Herausforderungen verbunden ist. Ein Säugling hat eigene Bedürfnisse, die sich nur schwer mit einem planbaren Arbeitsrhythmus vereinen lassen. Stillen, Tragen, Beruhigen – vieles passiert spontan, wiederholt sich im Laufe des Tages und ist kaum kalkulierbar.
Für Mütter in leitenden Positionen oder mit größerem beruflichem Handlungsspielraum kann Homeoffice tatsächlich eine unterstützende Brücke beim Wiedereinstieg darstellen. Sie können ihre Arbeitszeit oft flexibler gestalten, Termine verschieben oder priorisieren und verfügen häufiger über Ressourcen, um zusätzliche Betreuung – etwa durch Tagesmütter oder Babysitter – in Anspruch zu nehmen.
Anders stellt sich die Situation für Mütter dar, die in stärker fremdbestimmten Berufsfeldern arbeiten. Feste Schichten, unmittelbarer Kundenkontakt oder klare zeitliche Vorgaben lassen wenig Raum für spontane Unterbrechungen. Der Anspruch, im Homeoffice genauso leistungsfähig und erreichbar zu sein wie im Büro, gerät dabei oft in Konflikt mit der Realität eines Alltags mit Säugling.
Auch Selbstständige, insbesondere Solo-Selbstständige, stehen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben vor besonderen Anforderungen. Ohne Anspruch auf Mutterschutz, Elternzeit oder Vertretung sind sie vielfach darauf angewiesen, ihre Arbeit an die Schlaf- und Wachphasen des Babys anzupassen – sei es früh morgens, spät abends oder am Wochenende. Diese Form der Arbeitsgestaltung ist für viele kurzfristig notwendig, auf Dauer jedoch kaum tragfähig.
Hinzu kommt: Die ständige Verfügbarkeit im Homeoffice kann den Druck erhöhen, ausgefallene Arbeitszeit „nachzuholen“ – meist zu Zeiten, in denen Erholung eigentlich dringend notwendig wäre. Ohne klare Grenzen zwischen Arbeit und Betreuung kann dies langfristig zu Erschöpfung führen – und beeinträchtigt sowohl das familiäre als auch das berufliche Wohlbefinden.
Fazit: Der Beginn des Homeoffice mit einem kleinen Baby ist für viele Frauen ein intensiver Übergang. Homeoffice kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern – aber nur dann, wenn strukturelle Unterstützung, zeitliche Flexibilität und individuelle Lösungen vorhanden sind. Eine familiengerechte Arbeitswelt muss diese unterschiedlichen Ausgangsbedingungen berücksichtigen und gezielt dort ansetzen, wo Betreuungslücken und begrenzte Handlungsspielräume zur Überforderung führen – insbesondere beim beruflichen Neubeginn mit einem Baby.
Text © Ariane Niehoff-Hack, Frauen in der Einen Welt
Objekt: © Irene Kress-Schmidt, Installation „Homeoffice Crybaby“, Deutschland 2020