Fäden des Lebens:
Geburt und Geborenwerden in der Textilkunst
Das Motiv der Geburt ist in der Kunst keineswegs selten. Es erscheint auf Werken aus unterschiedlichen Materialien und ist somit auch in der Textilkunst präsent. Mithilfe verschiedener textiler Techniken stellen Künstlerinnen Szenen aus unterschiedlichen Phasen der Geburt oft sehr anschaulich, konkret und detailreich dar und schaffen damit ein visuelles Zeugnis des kulturellen Kontexts, in dem die Geburt stattfindet.
Diese Darstellungen geben Einblicke in lokale Vorstellungen und Überzeugungen zu Schwangerschaft, zum weiblichen Körper in dieser Zeit, zur Unterstützung durch die Gemeinschaft, zu den Personen, die eine Frau bis oder während der Geburt begleiten, zu den Orten des Geburtsgeschehens sowie zu den üblichen Gebärhaltungen.
Die Veranschaulichung von Geburt in der Textilkunst kann zudem als ein Akt der Artikulation dieser authentisch weiblichen Erfahrung verstanden werden. In diesem Sinne werden Stoffe nicht nur zu einem Mittel des ästhetischen Ausdrucks, sondern auch zu einem Raum des Widerstands – ein Ort, an dem das gesellschaftliche Schweigen über Körper, Schmerz, Stärke und Verletzlichkeit durch die Sprache von Fäden, Mustern und textilen Strukturen ersetzt wird.
Diese Objekte dokumentieren nicht nur den Beginn des Lebens eines Kindes und einen neuen Lebensabschnitt der Frau, sondern verweisen auch symbolisch auf Übergänge, Veränderungen und Kontinuitäten. Ihre Analyse eröffnet einen Raum für ein tieferes Verständnis weiblicher Erfahrungen, die oft verborgen bleiben, in der Textilkunst jedoch – leise oder laut – sichtbar werden.
Foto 1, Foto 2. Foto 3: Arpillera, Kollektion Roberta Bacic, London 2009. Leihgabe: Roberta Bacic
Foto 4: Arpillera, Kollektion Roberta Bacic, Brasilien 2011. Leihgabe: Roberta Bacic.
Foto 5: Stickbild, Afghanistan 2025. Dauerleihgabe: Frauen in der Einen Welt
Foto 6, Foto 7: Textiles Bild, Kollektion Roberta Bacic, Simbabwe 2012. Leihgabe: Roberta Bacic.
Text © Tijana Jakovljević-Šević, Frauen in der Einen Welt
Objekte © Sammlung "Frauen in der Einen Welt"