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Irene Kress-Schmidt: Kinderbetreuung im Homeoffice und die Schönheit der Dinge

Veröffentlicht am 23.09.2024

Kurz und knapp

Irene Kress-Schmidt ist eine vielseitige Künstlerin, malt, dichtet, spielt Klavier, hat Ballett gelernt und vieles mehr. Außerdem baut sie Objekte aus verschiedensten Teilen wie Schrauben oder Knöpfen und gibt ihnen so eine neue Bedeutung. Im Museum zu sehen ist ihre Installation Home Office Crybaby. Wir unterhalten uns mit ihr über ihr Werk und darüber, wie Homeoffice das Arbeitsleben vieler Frauen und Mütter beeinflusst hat. Zuhause dem Beruf nachgehen zu können bietet Chancen. Es kann aber auch sehr belastend sein, da die Verantwortung der Kindererziehung trotz Erwerbstätigkeit überwiegend von Frauen getragen wird.

 

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Homeoffice als Herausforderung und Chance

Mit Blick auf ihr Werk spricht die Künstlerin mit uns über zwei Bereiche. Zum einen geht es um ihre Arbeitsweise, zum anderen um den thematischen Hintergrund.
Das Thema Homeoffice hat sie gewählt, weil es durch die Coronapandemie zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Sie betont, wie anstrengend es für Frauen sein kann, Haushalt, Kinder und Beruf miteinander zu verbinden. Gleichzeitig bietet Homeoffice Frauen die Möglichkeit, ihr Berufsleben nach der Geburt eines Kindes fortzuführen. Sie selbst ist Mutter von drei Kindern und ist ihrem Beruf neben der Kindererziehung nachgegangen, indem sie im Kindergarten ihrer Kinder und zuhause Mal- und Klavierunterricht gab. Dadurch hatte sie die Möglichkeit, ihre Kinder in einer Gemeinschaft von Kindern zu erziehen. Sie bezeichnet das als schöne Geschichte, aber nicht jedes Elternteil hat ja die Möglichkeit, Beruf und Kindererziehung so zu verbinden. In heterosexuellen Ehen sind es dann in der Regel Frauen, die ihre Erwerbsarbeit nach der Geburt des ersten Kindes verringern oder unterbrechen. Dieses Modell wird unter anderem durch das Ehegattensplitting gefördert, das verheirateten Paaren, die die Arbeit so aufteilen, steuerliche Vorteile bietet. Das führt aber dazu, dass Frauen vermehrt in Altersarmut leben, da sie ihren Beruf für die Kindererziehung eingeschränkt haben und so weniger Rente bekommen.

Das Homeoffice eröffnete für viele Frauen also gewisse Freiheiten, da es sich nach der Pandemie in einigen Branchen etabliert hat, von zuhause zu arbeiten. Irene Kress-Schmidt weist aber auch darauf hin, wie belastend es sein kann, gleichzeitig Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung zu leisten, und dass Frauen diese Belastung oft unterschätzen. Sie glaubt, dass Frauen noch immer ein stärkeres Verantwortungsgefühl gegenüber Kindererziehung haben als Männer. Laut einer Mitteilung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung wird der Hauptanteil der Sorgearbeit in heterosexuellen Beziehungen noch immer von Müttern getragen, auch wenn die Paare sich die Berufstätigkeit teilen. Dies kann verschiedene Ursachen haben, lässt aber den Schluss zu, dass an Frauen und Männer noch immer unterschiedliche Erwartungen bezüglich der Erziehung ihrer Kinder gestellt werden.

Wie Irene Kress-Schmidt arbeitet: Die Schönheit der Dinge

Neben ihrer Tätigkeit als Malerin setzt sie sich gerne mit Installationen und Objekten auseinander. Bei der Umsetzung verwendet sie Teile, die ursprünglich aus rein praktischen Gründen hergestellt wurden. Mit ihrer Kunst möchte sie die eigene Schönheit dieser Objekte darstellen. Deshalb arbeitet sie mit den Teilen wie sie sind, sie bohrt, klebt oder lötet nicht. Wie bei einem Puzzle sucht sie die Teile, die zusammenpassen. Auch bei Verbindungselementen wie Schrauben oder Kabeln ist das Aussehen wichtig. Bei Home Office Crybaby dienen Schrauben zum Beispiel als Augen, aus einem Kopfhörerbügel wurde der Griff eines Kinderwagens und aus der Hülle eines Stempelkissens ein Laptop. Je länger wir die Installation betrachten, desto mehr Details entdecken wir.

Auch Nachhaltigkeit spielt hier eine Rolle. Denn es werden Gegenstände verwendet, die viele Menschen als Müll betrachten würden. Nicht so Irene Kress-Schmidt, für die alle Dinge eine Ästhetik haben. „Ich mag jedes einzelne Element, das ich verbaue. Das hat für mich alles einen eigenen Charme“, sagt sie. Alles hat schon mal jemand betrachtet, für alles wurde sich Mühe gegeben. Ihr größtes Anliegen ist es, dass Dinge in einem anderen Zusammenhang gesehen werden. Ein Lampenschirm kann ein Rock sein, Knöpfe eine Socke. Sie sagt dazu „schaut euch um, wir sind von lauter Dingen umgeben und das ist meine Spielwiese.“  Sie ist überzeugt, dass es Menschen faszinieren kann, zum Mitdenken bewegt zu werden. Wenn sie ihre Kunst betrachten, bekommen sie die Möglichkeit, Dinge wiederzuerkennen, darüber nachzudenken, woher sie gekommen und was daraus geworden ist. Ihre Objekte motivieren, selbst kreativ zu werden und inspirieren dazu, die Dinge um uns herum mit einem neuen Blick zu betrachten.

 

Autorin: Neele Panzer, Studentin der Sozialen Arbeit an der Hochschule Coburg

Der Blog ist im Rahmen des Moduls „Feministische Pädagogik. Empowerment durch Museumsarbeit“ im Sommersemester 2024 entstanden.

Arbeitsgruppe: Ilona Reester, Neele Panzer und Maria Carolin Jalali.

 

Sofern nicht anders gekennzeichnet, stammen die Inhalte aus unserem Interview mit Irene Kress-Schmidt vom 04.05.2024

 

Siehe auch:
„Irene Kress-Schmidt, Malerin und Objektkünstlerin“, 8. Juni 2020. (hier in diesem blog)

Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. „Rollenbild im Wandel: Berufstätigkeit von Müttern wird gesellschaftlich zunehmend akzeptiert“, 29. April 2024.
(Bundesinstitut)

Bundeszentrale für politische Bildung. „Debatte: Ehegattensplitting“, 20. September 2017. (Bundeszentrale)

zur Ausstellung "Baustelle Frauenbild"

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