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Baustelle Frauenbild: Interview mit Katja Gehrung: Hausfrau und Care-Arbeit

Veröffentlicht am 29.08.2024

Kurz und knapp

Für unser Thema Care-Arbeit interviewten wir die Künstlerin Katja Gehrung zu ihrer Fotoreihe.

‚Die Einsamkeit der Hausfrau…‘. Sie selbst war als Mutter nach einem Vollzeitjob plötzlich Hausfrau. Dabei ist sie sich nicht sicher, ob sich bei der Kindererziehung so viel im Vergleich zu früher verändert hat.

Das Modell in ihren fotografischen Arbeiten ist immer sie selbst, da sie ihre eigenen Gefühle und Gedanken so am besten zeigen kann, jede Betrachterin kann es dann anders interpretieren. Ihr kritischer Blick auf die Gesellschaft ist dereiner Frau”.

 

Wer mehr lesen mag

Das Interview mit Katja Gehrung fühlt sich an, als ob wir mit einer Freundin Kaffee trinken. Sie erzählt gerne. Die Künstlerin lacht gern in unserem Zoom-Interview, was wir ganz sympathisch finden.

Zur Fotografie kam sie schon mit 14, als sie von ihrem Opa eine analoge Spiegelreflexkamera geschenkt bekam.

 

Die Einsamkeit der Hausfrau

Zu einem der ausgestellten Motive erzählt die Künstlerin: „Mir hat [ein Freund] eine Trockenhaube und eine Kittelschürze geschenkt […] beides aus dem Osten, von seiner Mutter, und dann hab‘ ich mich aufs Feld gesetzt und ein Bild gemacht, und dann kam ich so drauf: das ist "die Einsamkeit der Hausfrau unter der Trockenhaube.“ Und so hat sie die Idee weiterentwickelt:  „…und Einkaufen, Fensterputzen und dann hab‘ ich gemerkt, das ist ja wirklich so bei mir.“

Durch einen Kunstaustausch mit China über den Kunstverein Bayreuth wurde ihr Foto ‚Die Einsamkeit der Hausfrau‘ dort ausgestellt. Die chinesischen  Frauen haben sie darauf angesprochen: „Genauso ist es. Der Mann macht nichts in China, er ist total faul. Das passt sehr gut.“

Die Arbeit

Die Künstlerin hatte als Führungskraft Vollzeit gearbeitet und war nach der Geburt ihres Kindes Mitter der 90er Jahre nur zu Hause, weil es keine Kindertagesstätten oder -gartenplätze und keine Teilzeit gab. Dann war sie noch in einer neuen Stadt, in der sie niemanden kannte. Deshalb fühlte sie sich einsam. Ihr Mann war auch Führungskraft und bei einer sechs-Tage-Woche erst spät zu Hause. Wenn man einen Mann hat, der bei der Kinderpflege und -erziehung wenig Zeit hat zu helfen, muss man viel allein machen.

Früher und heute

„Älteren Frauen wie meiner Mutter ging es damals auch so: allein zu Hause mit den Kindern – der Vater war nie da. Heute ist das einfacher, aber vielleicht ist es auch immer noch so, man fühlt sich ja oft allein mit einem Kind und weiß nicht weiter.“  Auch das Thema “Rabenmutter” behandelt sie, Frauen, die so genannt werden, wenn sie die Zeit ihrer Karriere widmen und eher der Mann zu Hause bleibt.

Ihr eigenes Modell

Katja Gehrung ist ihr eigenes Modell, sie fotografiert sich selbst mit Stativ und Fernauslöser. Ihre Bilder haben einen sehr persönlichen Bezug, weil sie immer das macht, was sie bewegt. „Deswegen kann ich auch nur selber Modell sein, weil es sind meine Gefühle, das, was ich in dem Moment denke, und deswegen muss ich das auch alles alleine machen“, sagt sie. Ihr Gesicht sieht man fast nie, damit das Bild eine Geschichte erzählt, in die sich jeder hineinversetzen und was anderes empfinden kann. Es ist damit nicht so belegt wie bei einem Selfie.

Franken - Weite - Provokation?

Ihr gefällt die schöne, ein bisschen trostlose Landschaft Frankens - sie mag die Berge, aber sie braucht etwas leicht Depressives. Wir finden: ihre Bilder sind ein Blickfang, vor allem ihr Bild ‚Morgens um 7 ist die Welt noch in Ordnung‘ hat uns fasziniert. Sie sagt, es gibt darüber geteilte Meinungen: „Manche finden es saugut und können echt drüber lachen, und manche sagen: ‚Oh Gott, die hängt ja Kinder auf – um Gottes Willen‘“. Ihre Bilder vermitteln Weite; es sieht darauf wie in den USA aus. „Man muss hier ein bisschen suchen, auf den Hügel gehen, dass man eine Weite reinkriegt, die Kamera ganz weit stellt, das mache ich schon gern.“

Feminismus

Zuerst hatten ihre Bilder eher persönliche Themen: „Immer, was mich beschäftigt, das kommt dann.“ Ihre sozialkritischen Werke zeigen die Sicht einer Frau. „Feministisch?“ - „Ja, ich bin’s einfach“.

Der alltägliche Mordversuch – Femizid –beschäftigt sie ebenso. Jeden Tag gibt es in diesem Land eine Beziehungstat, und jeden dritten Tag stirbt eine Frau dabei. Dies wird als Familiendrama und nicht als Mord angesehen. Sogar Staatsanwälte treffen Aussagen, die der Frau die Schuld dafür geben, weil der Mann sie ja ‚besitzt‘. In dem Heft ‚Streit‘von Rechtsanwältinnen, das Frauenthemen und damit verbundene Gerichtsurteile aufgreift, hat Katja Gehrung dazu zehn Bilder veröffentlicht.*

 

Autorin: Ilona Rester, Studentin der Sozialen Arbeit an der Hochschule Coburg

Der Blog ist im Rahmen des Moduls „Feministische Pädagogik. Empowerment durch Museumsarbeit“ im Sommersemester 2024 entstanden.

Arbeitsgruppe: Ilona Reester, Neele Panzer und Maria Carolin Jalali.

 

Quellen:

Die Inhalte stamen aus unserem Interview mit Katja Gehrung vom 28.05.2024   * siehe: Art Photography Katja Gehrung,         

 * siehe: Art Photography Katja Gehrung, https://katjagehrung.de/shop/behind-the-wall/ [08.06.2024]

zur Ausstellung "Baustelle Frauenbild"

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